Von den Anfängen

Die erste Besiedlung des Ruhrbogens, in dem der heutige Stadtteil Alt-Wetter liegt, verschwimmt im Dunkeln der Geschichte. Vor rund 60.000 Jahren waren die Neandertaler und vor etwa 13.000 Jahren eiszeitliche Rentierjäger im Ruhrtal auf der Jagd. In der Nachbarschaft Hagen (Blätterhöhle) wurden Schädel von Menschen entdeckt, die vor etwa 10.500 Jahren (Nacheiszeit) in der Gegend als Jäger und Sammler unterwegs waren(1). Während der Jungsteinzeit von ca. 4200 bis 2800 v. Chr. könnte das Gebiet zum südlichen Ende der sog. Trichterbecherkultur(2) sowie anschließend bis ca. 2200 v. Chr zur Kultur der Schnurkeramik(3) (auch Streitaxtkultur genannt) gehört haben. In der Hagener Blätterhöhle wurden menschliche Überreste auch aus der Zeit gefunden. Zur jüngeren Bronzezeit (ab ca. 1200 v. Chr.) liegt das Gebiet der heutigen Stadt Wetter im Bereich der Zentralen Urnenfelderkultur(4).

Im 3. Jahrhundert v. Chr. zählt das Gebiet zum keltischen Einflussbereich der Hallstatt-Kultur(5,6,7). Anschließend drangen germanische Stämme in das Gebiet vor und der keltische Einfluss wurde ins linksrheinische abgedrängt. Zur germanischen Besiedelung muss festgestellt werden, dass die Stämme aufgrund kriegerischer Stammesfehden und römischer Kriegszüge über die Jahrhunderte nicht ortstreu waren. Die geschichtliche Erwähnung von Germanen beginnt mit den Berichten von Gaius Julius Cäsar über die gallischen Kriege in den Jahren 58 – 50 v. Chr.(8).

Der Ruhrbogen gehörte vor Christi Geburt wahrscheinlich zum Siedlungsgebiet der germanischen Stämme der Sugambrer/Sigambri(9) und der Marser/Marsi(10,11, siehe auch 12). Während die Sugambrer nach einem Bericht von Tiberius um 7 v. Chr. an die Maas umgesiedelt wurden(13), verschwanden die Marser nach einem Kriegszug des Germanicus um 14 n. Chr. für einige Zeit aus der Geschichte. Marsberg im Sauerland ist wahrscheinlich der Hauptort ihres Siedlungsgebietes gewesen. Es gibt die Auffassung, die Marser könnten der Teil der Sugambrer sein, die nicht von den Römern zur Maas umgesiedelt wurden (14,15). Nachdem Rom die Eroberung der rechtsrheinischen Gebiete aufgegeben hat, war unser Gebiet um 50 n. Chr. vermutlich an der Besiedlungsgrenze der germanischen Stämme der Brukterer(16), Usipeter(17) und Tenkterer(18) gelegen. An der unteren Ruhr siedelten später die aus dem Gebiet der Eder eingewanderten Chattuarier, so dass auch hier wieder ein Grenzgebiet entstand(19).

Ob aber je ein germanisches Lager oder Dorf auf dem Gebiet der Stadt Wetter existierte, ist nicht feststellbar.

Vermutlich ab dem 3. Jahrhundert bildeten einige ingväonische(20) und hermionische(21) germanische Stämme (u.a. Chauken, Cherusker, Sueben) den Stammesverband der Sachsen(22,23). Diese zogen nach Westen und eroberten das Land der Brukterer, die sich über den Rhein nach Westen zurückzogen. Wetter gehörte zum sächsischen Siedlungsgebiet. In der zweiten Hälfte des 3. Jahrhundert schlossen sich einige istväonische(24) germanische Stämme (u.a. Brukterer, Usipeter, Sugambrer, Marser, Tenkterer) mit anderen kleineren germanischen Stämmen zum Stammesverband der Franken zusammen(25,26).
Hinweis: Die Einteilung der Völker in Ingväonen, Istwäonen und Hermioden kommt nur bei römischen Autoren vor und ist in tatsächlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar!

Die genauen Grenzen zwischen sächsischen und fränkischen Völkern bleiben im Bereich der Ruhr unbekannt. Wahrscheinlich verschoben sie sich im Laufe der Jahrhunderte durch viele kriegerische Auseinandersetzungen. Auch waren Sachsen und Franken noch keine „vollständigen“ Völker, die germanischen Teilvölker/-stämme hatten noch immer eigene Interessen.

Im 5. und 6. Jahrhundert lag der Ruhrbogen an der nordöstlichen Besiedlungsgrenze der ripuarischen Franken(27). Diese sind zu dieser Zeit bereits christianisiert.

Seit dem Tod des fränkischen Königs Chlodwig I. (Merowinger) im Jahre 511 bis hin zu Pippin dem Jüngeren (Karolinger) um 750 kann man die Grenze zwischen dem fränkischen Teilkönigreich Austrasien und dem sächsischen Siedlungsgebiet in dieser Gegend in etwa am unteren und mittleren Ruhrverlauf festmachen(28). Im Jahr 775 wurde die sächsische Sigiburg (später Hohensyburg genannt) durch Karl den Großen erobert(29,30). Hier hatte der Volksstamm der Westfalen mit der sächsischen Führungsfigur Widukind seinen Siedlungsraum.

Der Sage nach war das Heerlager der Franken unter Karl dem Großen vor der Stürmung der als Wallburg angelegten Sigiburg, unterhalb des Kaisberg (dieser lag früher auf dem Gebiet von Herdecke-Süd heute von Hagen-Vorhalle), auf der Wetter gegenüberliegenden Ruhrseite(31). Daher soll dieser auch den Namen "Kaisberg" erhalten haben.

Das Gebiet der Stadt Wetter war somit ständiger Zankapfel zwischen den Franken und den Sachsen. Der Ruhrbogen lag also schon in der Frühzeit im Grenzgebiet verschiedener Kulturen. Eindeutige politische und kulturelle Grenzlinien kann man aber in diesem Gebiet nicht ziehen, vielmehr handelt es sich um fließende Übergänge zwischen Völkern und Kulturen.

 

Exkurs: Was ist "germanisch"?

Neuen wissenschaftlichen Betrachtungsweisen(32) zufolge, ist die Zuordnung der rechtsrheinischen Stämme zu einem übergeordneten Volk der "Germanen" nicht mehr haltbar. Für die römische Betrachtungsweise waren alle Menschen, die unabhängig von der Ethnie nicht innerhalb des römischen Kulturkreises wurzelten, Barbaren. Alle Gebiete außerhalb der Grenzen des römischen Imperiums wurden pauschal als "babaricum" bezeichnet. In dem anfangs von den Römern als "wildes Land" wahrgenommene Germanien wurden die nördlich der Donau und östlich des Rheins lebenden Völker zwar in Stämme unterschieden, die Gesamtheit jedoch von römischen Autoren als "germani" (Germanen) bezeichnet. Es handelt sich also um eine rein römische Wahrnehmung, die auch im Laufe der Zeit unterschiedliche Ansinnen hatte(33).

Die Einordung und Zusammenfassung der Stämme als Germanen wurde von den Römern nicht als Volksbegriff, sondern für die, im zeitlichen Verlauf unterschiedlichen, innen- und vor allem außenpolitischen Ziele und Zwecke vorgenommen, also eher für eine räumliche Vorstellung einer Region und der darin lebenden Stämme. Die in der von Römern "magna germania" bezeichneten Gegend lebenden Volksstämme kannten keinen übergeordneten Begriff. Ihre Gemeinsamkeiten lagen vermutlich eher in den Ähnlichkeiten der religiösen Rituale und einer vermutlich ähnlichen Lebensweise. Die Menschen selbst agierten und betrachteten sich selbst als Sigambrer, Marser, Brukterer, später als Franke, Alemanne etc. Keiner hätte sich je selbst als "Germane" bezeichnet.

Somit ist auch die Zuordnung zu einem "germanischen Volk" heutzutage eher irreführend, da ein stammesübergreifendes Bewusstsein dafür bei den Völkern gar nicht vorhanden war. Jeder Stamm hatte eigene Interessen, die er durchzusetzen versuchte. Die kulturelle Zusammenfassung dieser Stämme zu einem übergreifend "germanisch" genannten einheitlichen Volk ist wahrscheinlich erst in der Neuzeit zur Rechtfertigung für die abgrenzende Bildung von Staatsvölkern erfolgt.

 

Quellen:

1Museum für Ur- und Frühgeschichte im Wasserschloss Werdringen - In der Zeitmaschine durch Hagen - https://www.hagen-online.de/in-der-zeitmaschine-durch-hagen.html (zuletzt abgerufen am 03.02.2021)
2Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki/Trichterbecherkultur (zuletzt abgerufen am 26.09.2020)
3Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki/Schnurkeramik (zuletzt abgerufen am 26.09.2020)
4Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki/Urnenfelderkultur (zuletzt abgerufen am 26.09.2020)
5Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki/Kelten (zuletzt abgerufen am 26.09.2020)
6Keltenkultur - http://www.keltenkultur.de.vu (zuletzt abgerufen am 01.02.2019) -> nicht mehr online
7Christian Karl Barth – „Teutschlands Urgeschichte“, Baireuth 1817 Seite 92ff.
8C. Julii Caesaris – „Commentarii de bello gallico“ 6. Buch, Seiten 21-28
9Wikipedia - http://de.wikipedia.org/wiki/Sugambrer (zuletzt abgerufen am 26.09.2020)
10Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki/Marser_(Germanien) (zuletzt abgerufen am 26.09.2020)
11Oberlehrer Middendorf - „Über die Wohnsitze der Brukterer“ aus dem neunten Jahresbericht über das königl. Gymnasium in Coesfeld in dem Schuljahre 1836 – 37, Coesfeld 1837
12Kaspar Zeuss - „Die Deutschen und ihre Nachbarstämme“, München 1837
13Krüger, Die Germanen, Bd. 1, S. 408
14Kaspar Zeuss, Die Deutschen und ihre Nachbarstämme, 1806-1856, Seiten 83 - 86
15Reinhard Wenskus: Stammesbildung und Verfassung, Böhlau, Köln 1977 (2. unveränderte Auflage), S. 437f.
16Wikipedia - http://de.wikipedia.org/wiki/Brukterer (zuletzt abgerufen am 26.09.2020)
17Wikipedia - http://de.wikipedia.org/wiki/Usipeter (zuletzt abgerufen am 26.09.2020) 18Dr. J. F. Knapp - „Die Geschichte der Deutschen am Niederrhein und in Westphalen“, Elberfeld und Barmen 1830 Seite 4ff.
19Wikipedia - http://de.wikipedia.org/wiki/Chattuarier (zuletzt abgerufen am 01.02.2019)
20Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki/Ingwäonen (zuletzt abgerufen am 01.02.2019)
21Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki/Herminonen (zuletzt abgerufen am 01.02.2019)
22Wikipedia - http://de.wikipedia.org/wiki/Sachsen_(Volk) (zuletzt abgerufen am 01.02.2019)
23Kaspar Zeuss - „Die Deutschen und ihre Nachbarstämme“, München 1837, Seite 380ff
24Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki/Istvaeonen (zuletzt abgerufen am 01.02.2019)
25Wikipedia - http://de.wikipedia.org/wiki/Franken_(Volk) (zuletzt abgerufen am 01.02.2019)
26Kaspar Zeuss - „Die Deutschen und ihre Nachbarstämme“, München 1837, Seite 325ff.
27Die Bevölkerung der späteren Grafschaft Mark sollen auch die Bructerer zählen. Quelle: Albert Schunken - „Die Geschichte der Reichsabtei Werden a.d. Ruhr“, Köln und Neuss 1865, Seite 11 Fußnote 2
28Wikipedia - http://de.wikipedia.org/wiki/Austrasien (zuletzt abgerufen am 26.09.2020)
29Wikipedia - http://de.wikipedia.org/wiki/Syburg (zuletzt abgerufen am 26.09.2020)
30Leopold v. Ledebur – „Kritische Beleuchtung einiger Punkte in den Feldzügen Karls des Großen gegen die Sachsen und Slaven“ (1829) Seite 24ff.
31Dr. G. A. von Klöden und Richard Oberländer - "Unser Deutsches Land und Volk" 5. Band, Leipzig und Berlin 1882, S. 394
32Prof. Dr. Mischa Meier, Prof. Dr. Steffen Patzold, Prof. Dr. Sebastian Schmidt-Hofner - "Abschied vom alten Germanenbild" im Magazin DAMALS - Das Magazin für Geschichte, 53. Jahrgang 2-2021, S. 16-19
33Paolo Andreocci - "Die Germanen bei Caesar, Tacitus und Ammian . Eine vergleichende Darstellung.", Inaugural-Dissertation, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg 2008